Es wäre zu empfehlen? Es ist zu empfehlen!

In dieser Folge geht es um den Konjunktiv. Zu meiner Arbeit gehört es nämlich, Gerichtsgutachtenmanuskripte zu lektorieren, und darin stehen oft Dinge, die Leute gesagt haben. Um dies darzustellen, steht uns der Konjunktiv zur Verfügung; wenn wir den gebrauchen, ist klar, dass es von jemand anderem kommt, nicht von uns. Außerdem sichern sich Sachverständige ab, indem sie Gespräche mit den Kindeseltern, mit Jugendamt und Kita im Konjunktiv transkribieren und nicht in wörtlicher Rede. Es geht ja nicht um den Wortlaut, sondern darum, was die Leute meinen.

So weit, so gut. In der Praxis bemerke ich allerdings Unsicherheiten, zum Beispiel bei den verschiedenen Zeitformen. Die Konjunktivform im Nebensatz ist nämlich immer dieselbe, egal, ob der Hauptsatz in der Gegenwart oder in der Vergangenheit steht: „Sie sagt, sie habe … Sie sagte, sie habe … Sie sagt, sie sei gewesen … Sie sagte, sie sei gewesen.“ Auch bei der dritten Person Plural gibt es nach meiner Leseerfahrung Erklärungsbedarf. Im Singular heißt es: „Er sagte, er gehe“, aber im Plural heißt es nicht: „Sie sagten, sie gehen“, sondern: „Sie sagten, sie gingen (oder: würden gehen)“. Warum? Weil Indikativ und Konjunktiv ansonsten gleich wären und nicht unterschieden werden könnten.

Manchmal erfordern Verben den Konjunktiv im Hauptsatz, aber nicht hier: „Die Beziehung zum Kind beschreibe Frau A so, dass …“. Das ist falsch, denn Frau A hat es im Gespräch tatsächlich beschrieben. Deshalb: Sie beschrieb, sagte, gab an ... und der Konjunktiv folgt im Nebensatz. Aber: Sie denke, glaube, vermute und erachte, sie wisse nicht, nehme aber an, denn sie habe gehört und könne sich vorstellen, auch erinnere sie sich. Manchmal geht beides fast ohne Bedeutungsunterschied: Er schlug vor, eine neue Umgangsregelung zu finden. Er schlage vor, eine neue Umgangsregelung zu finden. Man sieht, dass der Konjunktiv manchmal im Hauptsatz und manchmal im Nebensatz steht. Verben mit dem Konjunktiv im Nebensatz sind zum Beispiel: Sie sagte, dass es so sei. Sie erwähnte, gab an, berichtete, versicherte und betonte, dass es so sei. Sie schilderte, beschrieb und verdeutlichte, wie es gewesen sei. Das betrifft außer Verben auch Präpositionen: Laut Pflegekraft sei … Gemäß ihrer Aussage habe … Dann gibt es Verben, die mit dem Indikativ stehen, weil es um Fakten und nicht um Meinungen geht: Es konnte beobachtet werden, dass etwas vorliegt. Der Akte konnte entnommen werden, dass die Bindung ambivalent ist. Aus der Akte geht hervor, dass es so ist. Sie stellte im Gespräch fest, dass es so war. – Will man dies als Meinung wiedergeben, schreibt man: „Sie habe im Gespräch festgestellt, dass es so gewesen sei.“

Kann man auch sagen: „Er sagte, er hätte …“? Ja, wenn es sich um einen Irrealis handelt, der auf eine Unmöglichkeit verweist, wie in: „Er sagte, er hätte das Kind bestimmt beschützt, wenn er nur von der Sache gewusst hätte“. Ansonsten heißt es entweder: „Er sagte, er habe …“ oder, wenn es vergangen ist: „Er sagte, er habe … gehabt“. Dasselbe gilt für Sätze wie: „Eine Mediation könnte die Kooperation fördern“: Wenn kein besonderer Grund dagegenspricht, ist hier „kann“ richtig, denn „kann“ drückt bereits aus, dass die Sache lediglich möglich und nicht sicher ist. „Könnte“ hingegen ist ein Irrealis: „Eine Mediation könnte die Kooperation fördern, aber die beiden sind nun einmal nicht dazu bereit.“

Gut zu wissen ist außerdem, dass „möchte“ keinen Konjunktiv hat, deshalb nimmt man „wolle“. Und, dass Modalverben ans Satzende gehören: „Sie sagte, sie habe das längst erledigen wollen.“ Nicht: „Sie sagte, sie wollte das längst erledigt haben.“

Da sich die wesentlichen Probleme des Konjunktivs auf einer Seite darstellen lassen, kann es so arg nicht sein. In der Umgangssprache gibt es noch die Höflichkeitsform: Ich hätte gern drei Brötchen. In Wirklichkeit will und fordere ich das Gebäck, aber ich sage es nicht so. I’d like to have it, please. Je voudrais, io vorrei und andernorts auch so.  Die Richterin und der Richter jedoch erwarten keine Höflichkeit, sie wollen Antworten auf ihre Fragen. Mit „Es wäre zu empfehlen“ können sie nichts anfangen. Ist es nun zu empfehlen oder was? Ja, es ist zu empfehlen!